Maschall
Fluch oder Segen?
Ich glaube das ist eine Frage der Perspektive, ob man selbst damit klar kommt. Ich hatte sowohl- als auch-Phasen. Als Kind oder Teenager, ist es sehr ins Negative gegangen, weil ich einfach mit Sprüchen konfrontiert worden bin. Und dann auch noch für etwas, für das ich ja nichts kann. Das ist eben mein Äußeres. Da hab ich oft gedacht: Wieso kannst du nicht einfach so sein wie jeder andere auch? Normal pigmentiert. Einfach nicht auffallen. Dann gab es Zeiten, die auch immer noch auftreten, wo ich sehr viel positives von Menschen bekomme. Und, dass aufgrund meines Aussehens mir Dinge ermöglicht werden, die vielleicht nicht möglich wären, wenn ich »normal« aussehen würde. Es kommt natürlich sehr darauf an, wie man es selbst sieht. Wenn man sich selbst damit nicht wohl- fühlt, dann wird einem meistens auch gar nicht erst diese Tür geöffnet. Die Leute lernen einen zwar kennen, sehen dich, wechseln die ersten drei Sätze mit dir und merken dann: Komisch, der ist irgendwie nicht im Reinen mit sich selbst. Der weiß ja gar nicht was er macht, er fühlt sich mit sich selbst nicht wohl. Und das strahlt man dann auch aus. Mir sind in den letzten Jahren unglaublich schöne Dinge passiert, auch in Situationen, bei denen ich mir dachte, dass es nur an meinem Aussehen liegt. Das hat mich auch manchmal gestört. Vor allem da habe ich gemerkt, dass es eine Frage der
Perspektive ist: Wie man es sich im Kopf zurecht legt.
Was machst du
leidenschaftlich gerne?
Musik, das ist ganz leicht zu beantworten. Als Kind habe ich ein Harmonium gespielt, also ein indisches Harmonium. Damit hab ich orientalisch/afghanische Musik gespielt und dazu gesungen. Das hat mich sehr geprägt. Als Teenager dann auch mal Rap. Zwischendurch habe ich Kachon gespielt, ein Perkussionsinstrument. Da macht es sehr viel Spaß mit Gitarristen zu jammen. Vom Klang her, ist es einem Schlagzeug sehr ähnlich. Ansonsten produziere ich Musik, das geht dann in die elektronische Richtung. Deep-/ Techhouse, wenn man das jetzt in ein Genre packen möchte. Mal orienta- lisch angehaucht, mal etwas weniger. Sehr unterschiedlich und ich probie- re einfach gerne aus. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich es die ganze Zeit machen.
Einige Menschen mit Albinismus haben ihr Äußerliches genutzt und eine Modelkarriere gestartet, wieso nicht auch du?
Ich habe auf jeden Fall schon darüber nachgedacht. Manchmal muss man vielleicht Dinge tun, um etwas zu erreichen. Dinge, die man nicht ungern macht, aber auch nicht an erster Stelle tun würde. Für einen gewissen Grad gilt das auch bei mir für das Modeln. Ich würde aber wirklich viel lieber etwas machen, bei dem mein Äußeres nicht so sehr im Vordergrund steht. Zum Beispiel: Musik. Sie kommt von innen und geht auch nach innen. Modeln ist sehr oberflächlich, so ist einfach die Branche. Aber man ist auch schnell raus, wenn man nicht mehr rein passt. Das hat mir nie so ganz gepasst.
Wie schränkt es dich
gesundheitlich ein?
Die größte Einschränkung ist, dass ich schlechter sehe. Ich habe einen Visus von ca. 10%, mit Linsen. Klar habe ich damit hier und da meine Struggles. Bei kleingedruckten Dingen muss ich näher heran gehen. Ich erkenne nicht, wenn jemand auf der anderen Straßenseite steht und wartet, außer er winkt auffällig. Aber dann sehe ich auch nicht wer es ist. Deshalb kommen meistens auch die Leute zu mir, umgekehrt eher weniger. Einen Führerschein darf ich deshalb auch nicht machen. Früher hat mich das sehr belastet, gerade wenn jeder in der Schule den Führerschein macht. Mittlerweile habe ich mich gut damit abgefunden, weil ich es ja auch nicht anders kenne. Außerdem sind meine Augen auch sehr lichtempfindlich, ich werde also schneller geblendet. Und meine Haut ist sehr sonnenempfindlich. Ich war lange im Ausland: Asien, Australien und eben viel in der Sonne. Und Lust immer so viel Sonnencreme aufzutragen habe ich dann natürlich auch nicht, da hab ich mir schon den einen oder anderen Sonnenbrand geholt. Es schränkt schon ein, wenn alle an den Strand gehen und ich dann schauen muss, ob ich mitgehe oder nicht. Ein Sonnenschirm würde natürlich auch gehen, damals hatte ich aber noch nicht die Eier zu mich dann so krass mit meinem Handicap zu zeigen. Zum Nachtmenschen hat mich das allerdings nicht gemacht.
Was sollte sich grundsätzlich an der Wahrnehmung unserer Gesellschaft verändern?
Ich denke, dass man nur anhand des ersten Ein- drucks Menschen Dinge zuschreibt. Da muss ich mir auch echt selbst an die eigene Nase fassen. Mir passiert das auch noch zu häufig, dass ich jemanden sehe, der äußerlich etwas hat, was nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht. Dinge, die negativ behaftet sind, wie z.B Hautprobleme im Gesicht. Dieser erste Moment ist dann oft so: »Wow!« sich dann aber einzufangen und darüber nachzudenken, was genau in einem vorgeht, ist wichtig.
Diesen Menschen zu versuchen in einem Gespräch kennenzulernen, mit ihr zu reden. Irgendwie wurde man ja schon von der Gesellschaft dahin konditioniert, etwas Bestimmtes zu denken, wenn man etwas sieht. Da kann die Gesellschaft, dahingehend mehr toleranter werden. Auch zu zeigen, dass es halt nicht der erste Eindruck ist, der diesen Menschen ausmacht, sondern viel mehr. Wichtig zu erwähnen ist aber auch, dass man sehr viel auf andere projiziert. Wenn man diese Person mit den krassen roten Flecken im Gesicht sieht, denkt man sich: »Oh Shit, wenn ich das hätte…« das würde mich richtig abfucken. Die Person kommt damit ja bestimmt auch Null klar. Muss bestimmt voll heftig sein.“ Und dann geht es immer so weiter: Man spinnt sich dann sein Netz zusammen und projiziert alles, was man selbst in diesem Moment fühlt, auf diesen Menschen. Es muss ja gar nicht so sein. Die Person kann ja schon eine Ewigkeit damit Leben, kommt damit klar und macht das Beste daraus. Zum einen ist es also die Gesellschaft, aber zum anderen ist man es selbst, wie man Dinge sieht.
Wenn du ein Vogel wärst, wie würde dein Federkleid aussehen?
Lacht. Wenn ich mir das so vorstelle: Ganz bunt. Am besten ganz bunt. Keine Farbe, die nicht darin vorkommt. Ich weiß nicht, ob ich den Albinismus damit kompensiere, weil ich ja gar keine Farbe habe. Grundsätzlich denke ich, dass es einfach schön ist jede Farbe zu tragen, jede Nuance. Sodass jeder, der dich sieht, sich darin auch wiederfinden kann.